Aus der Geschichte der Siebenbürger Sachsen

Foto/Karte: Hans-Werner Schuster

12. Jahrhundert

Der ungarische König GEISA II. (1141-1162) beruft Kolonisten „zum Schutz der Krone“ nach Siebenbürgen. Sie kommen aus verschiedenen Teilen des Deutschen Reiches – vorwiegend aus dem Rhein-Mosel-Gebiet – und verschmelzen zu einem neuen Stamm, für den sich die Bezeichnung „Saxones“ einbürgert. Dazu kommen bis ins 19. Jahrhundert weitere Ansiedler.

13. Jahrhundert

König ANDREAS II. bekräftigt im „Goldenen Freibrief“ (1224) die von GEISA II. verliehenen Rechte: eigenständige Gerichtsbarkeit, Selbstverwaltung, Territorialautonomie auf dem ihnen überantworteten „Königsboden“ (20.000 qkm). Dieser bildet im Rahmen des ungarischen Reiches eine von Adelsherrschaft und Leibeigenschaft freie, nur dem König unterstellte Enklave. Es entstehen befestigte Städte und über 250 mit Kirchenburgen bewehrte Dörfer. Der 1211 berufene deutsche Ritterorden wird 1225 vertrieben.

14. Jahrhundert

Die Städte mit einem hoch entwickelten Zunftwesen dehnen ihren Handel bis Vorderasien und Westeuropa aus. Auch die ländlichen Siedlungen blühen auf, und es entwickelt sich ein eigenständiges Schulwesen.

15. Jahrhundert

Die Bedrohung durch Reitervölker aus dem Osten wird durch die Ausdehnung des osmanischen Reiches bis an die Karpaten zur ständigen Gefährdung. Als „Bollwerk der Christenheit“ (Papst EUGEN IV.) erzielt Siebenbürgen auch Abwehrerfolge. Gegen die äußeren Gefahren wie zur inneren Stabilisierung bildet sich die „Union der drei Nationen“: Ungarischer Adel, Szekler und Sachsen. Schönberg, ein typisch siebenbürgisch-sächsisches Straßendorf mit Kirchenburg.

16. Jahrhundert

Die Türken erobern nach der Schlacht von Mohács (1526) weite Teile Ungarns. Siebenbürgen behauptet sich als selbst ständiges Fürstentum, in dem religiöse Toleranz herrscht. Die Siebenbürger Sachsen treten 1547 zum Luthertum über (Reformator: JOHANNES HONTERUS), schließen sich politisch in der „Nationsuniversität“ und kirchlich in der „Ecclesia Dei Na tionis Saxonum“ zusammen. Das und das kodifizierte „Eigen Landrecht“ führen zur Hochblüte von Wirtschaft und Kultur.

17. Jahrhundert

Schwere Heimsuchungen durch Seuchen und Kriege auch nach der Einbeziehung Siebenbürgens in das Habsburgerreich. Kaiser LEOPOLD I. bekräftigt 1691 die sächsischen Autonomie rechte, der ungarische Adel verweigert die Anerkennung. Das sächsische Freitum muss sich fortan mühsam behaupten.

Siebenbürgen, Hochland „mit dem Gürtel der Karpaten“.
Im Vordergrund: Michelsberg mit der romanischen Kirchenburg.

18. Jahrhundert

1711 werden nur noch 100.000 der vormalig 200.000 Siebenbürger Sachsen gezählt. Mit SAMUEL FREIHERR VON BRU KENTHAL, 1769 zum Gouverneur von Siebenbürgen bestellt, keimt neue Hoffnung. Der Sohn eines sächsischen Dorfrichters sorgt für den Ausbau des Kultur- und Bildungswesens. Aber auch er kann nicht verhindern, dass Kaiser JOSEPH II. die verbrieften Rechte der Sachsen aufhebt. Das Zeitalter des Nationalismus zieht über Europa herauf.

19. Jahrhundert

Der Aufstand der Ungarn gegen Habsburg 1848/1849 richtet sich auch gegen die kaisertreuen Sachsen. Deren Vorkämpfer, STEPHAN LUDWIG ROTH, wird hingerichtet. Mit dem „Aus gleich“ 1867 kommt Siebenbürgen im Rahmen der Doppel monarchie Österreich-Ungarn wieder an Ungarn. Im Zuge der Magyarisierungspolitik werden Königsboden und Nationsuniversität 1876 aufgelöst; die Sachsen sinken zur nationalen Minderheit herab. Die Evangelische Landeskirche A.B. übernimmt die sächsischen Bildungs- und Kultureinrichtungen und entzieht sie dem Zugriff des ungarischen Staates.

Hermannstadt, Europäische Kulturhauptstadt 2007.
Sitz kirchlicher und politischer Vertretungen der Siebenbürger Sachsen.

20. Jahrhundert

Siebenbürgen fällt nach dem Ersten Weltkrieg an Rumänien. Diskriminierung, Zentralisierungs- und Rumänisierungsbestrebungen Bukarests sowie interne Richtungskämpfe treiben die deutsche Minderheit in die Arme Berlins. Dessen Beistand bringt Schutzgarantien und die Anerkennung der deutschen Volksgruppe als Rechtspersönlichkeit. Dessen Wiener Schiedsspruch spricht allerdings 1940 Nordsiebenbürgen Ungarn zu. Mit dem Frontwechsel Rumäniens im August 1944 haben die Siebenbürger Sachsen kollektiv die Kriegsfolgen zu tragen bloß, weil sie Deutsche sind. Durch Krieg, Evakuierung und Flucht dezimiert, erdulden sie vielfältige Verfolgung: Deportation in die Sowjetunion, Verhängung von Zwangsaufenthalt, Entzug der Bürgerrechte, Totalenteignung, Beseitigung der Führungsschicht durch Schauprozesse, Einkerkerung und Ermordung. Auch danach sind sie Opfer von Diskriminierung, Willkür und vielfältiger Schikane. Die Evangelische Landeskriche A.B. verbleibt die Instanz, die den Siebenbürger Sachsen geistigen Freiraum bietet. Der Sturz CEAUSESCUs und seines Regimes am 22. Dezember 1989 leitet eine politische Wende ein. Für die Siebenbürger Sachsen kommt die Entwicklung Rumäniens hin zu einem demokratischen Rechtsstaat und zu wirtschaftlicher Gesundung zu spät: Im Bestreben der Verfolgung und dem staatlichen Druck zu entgehen, wächst sich die kurz nach Kriegsende einsetzende Familienzusammenführung zur Aussiedlung und 1990 zum Massenexodus aus. Heute leben rund 200.000 Landsleute in Deutschland, 20.000 in Österreich, 25.000 in den USA und 8.000 in Kanada.

Nur noch 15.000 Siebenbürger Sachsen leben in Siebenbürgen. Ihre politischen Interessen werden vom „Demokratischen Forum der Deutschen in Rumänien“ vertreten, das sich auch um die Wahrung der kulturellen Identität bemüht. Den völkerrechtlichen Rahmen dafür bieten der im April 1992 zwischen Rumänien und der Bundesrepublik Deutschland geschlossene Freundschaftsvertrag, das Kulturabkommen von 1995 mit Bestimmungen zum Schutz der Minderheit und ihrer Kultur und die EU, der Rumänien seit 2007 angehört. Trotz ihrer geringen Zahl, ihrer Diasporasituation und ihrer Altersstruktur nimmt die siebenbürgisch-sächsische Minderheit eine völkerverbindende und friedenssichernde Brückenfunktion wahr, die auch von der Bundesregierung mit finanziellen Mitteln gefördert wird.

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